Gemeinsam statt einsam

    Generationenübergreifendes Wohnen als Lebensform der Zukunft

    Die Zeitungs-Meldungen von hilflosen alten Menschen, die in ihren Wohnungen stürzen oder gar unbemerkt sterben, häufen sich. Da ist zum Beispiel die 71jährige aus Neu Wulmstorf, der es nach einem Sturz in der Badewanne erst nach vier Tagen gelang, Hilfe zu holen. Sie hatte sich eine Fraktur zugezogen, konnte nicht mehr aufstehen und schaffte es schließlich mit allerletzter Kraft an die Tür, um die Nachbarn zu verständigen. Was bei ihr gerade noch gut ging, endet bei manchen älteren Alleinstehenden nicht so glücklich. Das müsste nicht sein. Wenn Wohnquartiere rechtzeitig erschlossen werden und Gemeinden generationenübergreifend bauen, ist niemand gezwungen, seine Heimat aus gesundheitlichen Gründen zu verlassen. Wird auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen eingegangen, können Menschen jahrzehntelang an einem Ort wohnen bleiben und ihre Sozialkontakte aufrechterhalten. Damit das funktioniert gilt es, eine Infrastruktur zu schaffen. Dafür sind neben Einrichtungen des betreuten Wohnens auch Mehrgenerationenhäuser und barrierefreie Wohnungen nötig. Ältere Menschen können dort so lange wie möglich ihre Unabhängigkeit behalten und werden selbst dann nicht aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen, wenn sie tägliche Pflege brauchen.

    Bei intelligenter Städtebauplanung profitieren Jung und Alt

    Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter. Bereits heute sind rund 21 Millionen Menschen 60 Jahre oder älter, in 20 Jahren werden es über 28 Millionen sein, schätzt das Familienministerium. Das sind dann mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Das fordert Wirtschaft und Gesellschaft enorm heraus; denn dem demografischen Wandel lässt sich nur mit einer vorausschauenden Wohnungs- und Städteplanung begegnen, die das soziale Miteinander fördert. Quartiere mit sozialer Infrastruktur begünstigen eine lange Mobilität und dadurch eine hohe Lebensqualität im Alter. Doch auch die Jungen profitieren davon: besteht für die Älteren die Möglichkeit, zum Beispiel nach dem Auszug der Kinder oder dem Tod des Partners in kleinere barrierefreie Wohneinheiten umzuziehen, werden für Familien größere Wohnungen frei und ein generationengerechtes Miteinander kann reifen. Ein positives Beispiel sind die Wohnanlagen der Baugesellschaft GfG in Börnsen. Dort haben bereits 1.000 Bewohner aller Altersstufen ein neues Zuhause gefunden. Die Gemeinde hat Wohnungen für Menschen ab 60 Jahren bauen lassen, die alle schwellenfrei und per Aufzug zu erreichen sind. In unmittelbarer Nachbarschaft entstanden Reihenhäuser für Familien, sowie Gemeinschaftseinrichtungen und alles, was man sonst noch so braucht: Lebensmittelgeschäfte, Friseur, Arztpraxen und Fitnesscenter. Mehrere Wälder und Naherholungsgebiete aber auch Hamburg sind ebenfalls schnell zu erreichen. Junge Familien sind begeistert von der nachhaltigen, energieeffizienten Ausstattung der Häuser und den im Vergleich zur Großstadt günstigen Preisen. Sie schätzen die Grünflächen und Spielplätze für ihre Kinder, die unbeschwert aufwachsen können. Ältere Menschen freuen sich über die Betreuung durch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) vor Ort und den Komfort einer leicht zu bedienenden Haussteuerung, die sie vielfältig unterstützt, wenn die Kräfte nachlassen.

    Technische Assistenzsysteme schaffen mehr Wohnkomfort

    Neben elektrischen Rollläden, sich selbst regulierenden Heizungen und Bewegungsmeldern setzt die GfG hauptsächlich auf die Ambient-Assisted-Living-Komponenten (AAL) des Automatisierungs-Anbieters MyGekko. Diese Assistenzfunktionen sind unauffällig im Gebäude verbaut und arbeiten mit Sensoren, die zum Beispiel Alarm schlagen, wenn ein alter Mensch stürzt. Im Alltag kompensieren solche Systeme Einschränkungen, z.B. beim Sehen oder Hören. So kann ein Anruf oder die Türglocke durch Vibration oder Lichtsignale angekündigt werden. Alle Sensoren sind dezent und unauffällig in die Wohnräume eingebaut, lassen sich intuitiv bedienen und stigmatisieren ältere Menschen nicht als gebrechlich; denn sie werden nur von „Eingeweihten“ bemerkt und greifen in Bedarfs- oder Notfällen automatisch und können Angehörige oder Pflegedienste verständigen. Aber auch an gewöhnliche Dinge, wie die pünktliche Einnahme von Medikamenten, erinnern die automatischen Hilfsfunktionen. Die Steuerung kann mit gängigen Sprachsystemen wie Alexa kombiniert werden und das Smart-Home gehorcht aufs Wort. Möglich sind auch Verknüpfungen mit Videoanwendungen, die einen visuellen Kontakt zu Familie und Freunden oder einen Online-Besuch beim Arzt ermöglichen. Gerade in Corona-Zeiten ist das ein wichtiges Instrument, das der Einsamkeit im Alter entgegenwirken kann, auch wenn der persönliche Kontakt unersetzlich ist. Und gerade das persönliche Miteinander ist durch eine gute und gewachsene Nachbarschaft über Generationen hinweg ein wertvolles Geschenk. Je eher Städte und Gemeinden mit der Umsetzung solcher Projekte beginnen, desto besser gestalten sich die gesellschaftlichen Herausforderungen von morgen

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